06. Dezember 2001 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Glosse | Das Dschungelbuch

Als das Zeichnen noch geholfen hat II

Ein Jahrhundert wird besichtigt: Walt Disney hat mit seinen Filmen und Figuren die Kinderzimmer erobert und unsere Erinnerungen kolonialisiert. Ein Rückblick in Kurztexten, hier: 1967 - Das Dschungelbuch.

Der letzte Film, den Disney vor seinem Tod noch auf den Weg bringen konnte: Uncle Walt war also noch nicht aus der Tür heraus, da tanzten die Mickymäuse quasi schon auf dem Tisch. Der Vorschlag, es doch mal mit Ruhe und Gemütlichkeit zu probieren, wirkt wie eine späte Rache der Untergebenen an ihrem gestrengen Herrn und Meister – und klang vor allem wie die Hymne der Hippies. Typen wie der Bär Balu hingen in jeder verkifften WG herum, und daß Mogli am Ende dem Lockruf der Liebe folgt, durfte auch als Zeichen der Zeit gedeutet werden. Zweifellos hat Disney den Achtundsechzigern mit diesem Film den Weg bereitet und allen Aussteigern den Weg nach Fernost gewiesen: Während die Elefanten das Marschieren trainieren, feiert die Anarchie im Dschungel des Müßiggangs bereits fröhliche Urständ. Und es gehört nicht viel dazu, hinter der hypnotischen Schlange Kaa psychedelische Erfahrungen zu vermuten, die den Zeichnern den Pinsel führten. Der wahrhaft bewußtseinserweiternde Trip jener Jahre war aber natürlich die Wiederaufführung von FANTASIA.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mailadresse wird nicht öffentlich angezeigt. Pflichtfelder sind mit * markiert. Mit Absenden Ihres Kommentars werden Ihre Einträge in unserer Datenbank gespeichert. Weitere Informationen finden Sie in unserer » Datenschutzerklärung


dreizehn + fünf =