13. August 1997 | Süddeutsche Zeitung | Bericht | Das Theatiner-Kino wird vierzig Jahre alt

Paris liegt in München

Kinogeschichten sind immer private Geschichten. Welche Filme man wo zuerst gesehen hat, prägt sich auf immer ein. Das hat das Kino dem Fernsehen voraus: Es stellt uns einen Ort bereit, in dem die Gefühle zuhause sind. Kino ist ein durch und durch urbanes Vergnügen, und topographisch betrachtet könnte das Theatiner gar nicht besser liegen.

Wenn man nach den Spätvorstellungen, die oft der Nouvelle Vague gewidmet waren, ein Stück Paris mit hinausnahm in die Passage zwischen Residenz- und Theatinerstraße, dann verwandelte sich München für ein paar Momente in etwas anderes, Größeres, Schöneres. Solche Augenblicke verdanken wir dem Theatiner. Wer da nie glücklich war, ist selber schuld.

Kinogeschichten sind auch Geschichten des Niedergangs. Spätvorstellungen gibt es im Theatiner nur noch wochenends, und auch sonst ist es schwer, die Leute zu ihrem Glück zu zwingen. Es gehört schon viel Zähigkeit und Opfermut dazu, all den Filmen, die noch mehr wollen, als nur Popcorn zu verkaufen, die Stange zu halten. Marlies Kirchner tut das nun schon seit mehr als 20 Jahren, hat dafür auch Preise und Prämien erhalten und wurde 1991 vom Filmfest mit einer Hommage geehrt. Aber im Jubel und Trubel des Filmfests hat das Theatiner mittlerweile auch keinen Platz mehr.

Vierzig Jahre gibt es das Theatiner nun, das am 13. August 1957 mit dem Totò-Film Räuber und Gendarm eröffnet wurde. Damals war das Kino vor allem eine Abspielstätte des Verleihs „Neue Filmkunst Walter Kirchner”. Der Name war Programm, später kamen dann auch Erstaufführungen anspruchsvollerer Filme dazu. Aber das Programm allein ist natürlich nur teilweise dafür verantwortlich, daß das Theatiner einen Platz in unserem Herzen hat.

Das Kino selbst ist es, von dessen Architekt man nur noch weiß, daß er Atzenbeck hieß. Schon der Zugang durch die Passage, dann das Foyer mit seiner Spiegelfront und den geschwungenen Geländern, schließlich die Holztäfelung und die Sitzgalerie an der Seite – alles unverändert Dinge, die dem Kino sein unverwechselbares Gesicht geben. Und draußen Paris.

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